
Foto: P. Jakob
In der Weinbranche zu arbeiten, bedeutet – wenn man es denn ernst meint – nach Gerhard Schröders Maxim des „lebenslangen Lernens“ zu leben. Man muss sich kontinuierlich sowohl mit den Weinen dieser Welt beschäftigen und auch mit den theoretischen Grundlagen. Nur wer versteht, wie Weine erzeugt werden können, kann letztendlich auch das beurteilen, was im Glas vorzufinden ist. Schon als ich mich entschied, den Schritt weg von der Geschichtswissenschaft hin zur Weinwelt zu gehen und den Weinakademiker (das Diploma in Wines and Spirits) zu absolvieren, fiel mir auf, wie schwierig es eigentlich ist, sich einen guten Überblick über die Weine der Welt zu verschaffen. Es ist ein hoher Aufwand notwendig, finanziell und logistisch, um sich die Länder und Regionen dieser Welt sensorisch zu erschließen. Und hierbei ist man oft finanziell zu limitiert, um auch die Spitzen der Weinwelt zu erklimmen. Hin und wieder begegnet man dann den Leuchttürmen dieser Weinwelt, aber nur selten findet man sie geballt an einem Ort. Meist sind das Weinproben, die von Sammlern organisiert sind, die dann den angemessenen Preis kosten – wer verschenkt schon die edelsten Gewächse? Es ist also für die meisten in dieser Branche eher ungewöhnlich, an solch einer Runde zu partizipieren. Bleiben die Weinveranstaltungen – und hier gibt es zwei Typen: die Präsentationen und die Messen. Letztere sind kein wirklich geeigneter Ort, um sich Themen zu erschließen. Messen sind Verkaufsveranstaltungen. Messen sind voll. Man steht lange an einzelnen Ständen, um einen Schluck Wein ins Glas zu bekommen. Sie sind gut um sich einen Überblick zu verschaffen – eine gewisse Tiefe ist aber hier unerreichbar. Die Präsentation hingegen (seien es Verbände oder Regionen die sich hier dem Publikum stellen) ermöglichen es besser, sich einem Thema mit einer gewissen Tiefe zu nähern. Man lernt verschiedene Stile kennen oder versteht wie Regionen sich in ihrer Binnenstruktur unterscheiden. Aber sie sind nun mal thematisch festgelegt.
Die bisher einzige Veranstaltung, die diesen Rahmen sprengte und eine internationale Breite und Tiefe an Weinen in Deutschland dem Publikum näherbrachte ist die Véritable in der Pfalz. Hier zeigen Uwe Warnecke und Co. im Weingut Aloisiushof, was eigentlich möglich ist. Schnell sprach es sich herum, dass dies die beste Weinveranstaltung der Republik ist. Mit der Konsequenz, dass es leider auch hier in den letzten Jahren sehr voll war. Zu Recht natürlich, denn noch nie ist in Deutschland in so einem Rahmen die Spitze der Weinwelt zu verkosten gewesen. Von Château Montelena, über Sassicaia und Ornellaia, bis hin zu Bonneau du Martrays. Die Liste der großen Namen ist lang.
Nun wurde das Angebot in dieser Richtung erweitert und sogar noch ein bisschen gesteigert. Der Meiniger Verlag hat im Rahmen seines Sommelier Summits eine neue Veranstaltung ins Leben gerufen: Meininger‘s Finest 100.
Der Name ist Programm. Einhundert Spitzenerzeuger aus Deutschland und der Welt (wobei es sich doch vorwiegend um europäische Erzeuger handelte) präsentierten Ende November 2016 ihre Weine im Saalbau von Neustadt an der Weinstraße. Die Halle bot viel Platz und somit eine sehr gute Atmosphäre für die Verkostung. Die Zahl der Besucher stand mit der Anzahl der präsentierenden Weingüter in einem guten Verhältnis. So war es erstens möglich, konzentriert die Weine zu verkosten und zweitens auch viele vertiefende Gespräche mit den Vertretern der Weingütern zu führen. Dieser Rahmen ist der mithin professionellste den ich bisher bei einer Weinveranstaltung mit Tischpräsentation erlebt habe. Brillant auch die Kooperation mit Riedel, die einzelne Glasstationen aufstellten und zu den jeweiligen Weinen die passenden Gläser zur Verfügung stellten. So konnte man sich entscheiden, ob man lieber mit einem Verkostungsglas (hier bot sich das Riedel Riesling/Zinfandel Glas an) oder mit einem passenden Glas die jeweiligen Weine erleben wollte.
Eine solche Veranstaltung bedarf natürlich, um sich direkt als eine der Leitveranstaltungen Deutschlands zu etablieren, eines Paukenschlags. Und der gelang vortrefflich. Albert Kierdorf nutzte die Gelegenheit, sich als neuen Importeur der Domaine de la Romanée-Conti zu zeigen und schenkte neben den 2012er Echézeaux und Romanée St. Vivant (letzterer übrigens ein schlafender Titan) auch den 2000er La Tâche aus – um zu zeigen, wie elegant und verführerisch solch ein Wein mit etwas Reife auch aus einem nur mittleren Jahrgang ist. Selten dürften gleichzeitig so viele Bilder von DRC Weinen in den sozialen Medien zu finden gewesen sein. Direkt neben ihm stand Laurent Ponsot persönlich und präsentierte seine nicht minder bewegenden und beeindruckenden Weine. Kann man eine Veranstaltung besser bekanntmachen als mit diesen beiden Weingütern? Ich glaube nicht.
Aber es geht ja nicht nur um Burgund – wer sich z.B. ein Bild von der Spitze der Champagne machen wollte, konnte dies hier problemlos tun: nebeneinander standen Champagne Geoffroy, Jacquesson, Eric Rodez, Bollinger, Roederer, Krug und Agrapart. Da hat man schnell einmal die Benchmark für Spitzenchampagner erarbeitet.
Wunderbar auch eine Vertikale von Château Pontet-Canet. Es ist immer wieder lehrreich, verschiedene Jahrgänge eines Weinguts zu verkosten. Denn so sieht man die Eigenarten von Jahrgängen und dazu die Handschrift eines Weinguts, also das, was über die Jahrgänge hinweg, den Charakter der Weine auszeichnet – sei es das Wirken eines langjährigen Kellermeisters, einer gelebten Konsequenz im Weingarten oder das ominöse Terroir.

Foto: P. Jakob
An dieser Stelle möchte ich nicht sämtliche Weingüter erwähnen, deren Weine ich probiert habe – erwähnen möchte ich aber auf jeden Fall nicht nur die exzellenten Weine sondern die intensiven Gespräche bei Zind Humbrecht und Riecine. Sie sollen exemplarisch für die Güte und fachliche Tiefe dieser Veranstaltung stehen.

Foto: P.Jakob
Obwohl ich konsequent durchverkostet hatte, war es mir nur möglich einen Bruchteil der Weingüter zu verkosten. Dies war mir aber schon im Vorfeld klar, als ich die Liste der Güter und der präsentierten Weine studiert hatte. So war ich auch gut vorbereitet. Denn wenn sich einem eine solche Möglichkeit bietet, sollte man sie auch konsequent nutzen. Daher hatte ich mir genau überlegt, welche Schwerpunkte ich nun für mein MW Studium setzen muss. Denn nur mit Struktur kann man zielgerichtet lernen. Und Meininger’s Finest 100 hat die Lernstruktur für die Weinbranche massiv verbessert und Hand in Hand mit der Véritable gezeigt, dass das Zentrum Deutschlands nicht Kassel in Deutschlands Mitte oder Berlin als Hauptstadt sind, sondern die Pfalz ist. Wenn es um Wein geht, ist man hier die Avantgarde.