Es war die größte ProWein bisher, dank zwei weiterer Messehallen kamen 4783 Aussteller aus 48 Nationen. Mit über 44000 Fachbesuchern stieg außerdem die Besucherzahl signifikant um etwa 10 % im Vergleich zum Vorjahr. Eine Messe dieser Größe stellt Herausforderungen an den Besucher, besonders was die Planung der drei (bei mir zwei) Messetage betrifft. Das Angebot ist so vielfältig, dass man nur einen Bruchteil dessen erledigen kann, was man möchte.
Die letzten Jahre besuchte ich Winzer, lernte mir noch eher unbekannte Regionen kennen. Dieses Mal habe ich einen anderen Blick auf die ProWein gewagt. Ich fragte mich, wie interessant ist es, die im Rahmen der ProWein angebotenen Seminare, Tastings und sonstigen Veranstaltungen zu besuchen. Vorweg genommen: es war die kurzweiligste und schnellste ProWein meines Lebens.
Vortag
Bereits am Samstag vor Messeeröffnung gab es vielfältige Veranstaltungen. Ich besuchte die von Sommelier Consult organisierten Veranstaltungen „La Renaissance des Appelations“ und „Haut les Vins / VinNatur“. Ganz im Zeichen der Biodynamik und des Bio Weins, bot sich ein interessanter Einblick in die Vielfalt der so erzeugten Weine. Und zudem ergab sich die Möglichkeit, einmal Nicolas Joly live über sein Verständnis des biodynamischen Weinbaus referieren zu hören.
Tag 1
Die eigentliche ProWein begann mit einer weiten Reise, die sich über den kompletten Sonntag hinziehen sollte. Der Weg vom Eingang Nord zu Halle 1 ist weit – und außerhalb der Hallen kalt.

Claudia Schug Schütz
Foto: P.Jakob
Dort präsentierte Claudia Schug Schütz in einem kurzen Seminar die Chardonnay Vielfalt Kaliforniens. Vier Chardonnays aus vier Regionen zeigten die sehr unterschiedlichen Stilistiken, die in den unterschiedlichen Klimata Kaliforniens entstehen. Eines war ihnen gemeinsam – den fetten, überholzten Chardonnaystil, der noch heute von einigen Weintrinkern dieser Region zum Vorwurf gemacht wird, muss man mittlerweile suchen. Schlanker, eleganter, feiner Holzeinsatz von französischer Eiche. Die Weine sind trotz teilweise hoher Alkoholwerte dank einer entgegenstehenden Säurestruktur in sehr guter Balance.
Nun ging es von Halle 1 in Halle 6. Wieder eine weite Reise. Da man zwischendurch immer wieder bekannte Gesichter trifft, bleibt eigentlich kaum Zeit Weine zu verkosten. In Halle 6 angekommen und nach einer kurzen Mosel-Probe bei Matthias Knebel und den Jungs vom Klitzekleinen Ring ging es zum Falstaff-Stand. Hier präsentierte Master Sommelier Hendrik Thoma am Falstaff-Stand ausgewählte Weine der Türkei. Leider fiel die Mikrofonanlage aus, so dass aus dem Tasting ein gemütliches, sehr informatives Beisammensein mit Wein wurde und Hendrik Thoma vom Moderator zu einem Speakers Corner Aktivisten wurde.

Hendrik Thoma
Foto: P.Jakob
Es erinnerte etwas an „Das Leben des Brian“.
Zunächst gab es Weine aus autochthonen Rebsorten. Die Weißweine waren ungewöhnlich, entweder leicht und fruchtig, dem mediterranen Klima angemessen oder im Holz ausgebaut und damit kräftiger und komplexer. Mir erscheint es, dass diese Weine es schwerer haben werden, die internationalen Märkte zu erobern. Anders die Rotweine: Besonders die Rebsorten Öküzgözü und Bogazkere bringen hoch interessante Weine hervor. Reinsortig oder im Verschnitt, auch mit französischen Rebsorten, sind sie eine absolute Bereicherung der Weinvielfalt. Daneben werden in der Türkei im großen Stil Blends im Stile des Bordeaux oder in Anlehnung an die Rhône erzeugt. Diese Weine sind nicht nur zum Teil herausragend, sie ermöglichen es auch, Konsumenten an das Weinland Türkei heranzuführen.
Hiernach stand die Rückreise zu Halle 1 an. „Napa Valley rocks“ bot einen Einblick nicht nur in die verschiedenen Weine und Weingüter dieses berühmtesten der kalifornischen Weinbaugebiete. Es war auch eine interessante und gut präsentierte Einführung in die geographischen und klimatischen Besonderheiten der Region. Eine Grafik verdeutlichte hervorragend, wie unterschiedlich die Bodenprofile Napas auf kleinsten Raum sind. Über 300 verschiedene Bodentypen existieren hier – ein deutliches Indiz, dass man in Napa noch stärker auf die Herkunft setzen sollte und weniger aus verschiedenen Vineyards die Weine verschneiden sollte.

Scotty Barbour (li.) und Volker Eisele
Foto: P.Jakob
Ken „Scotty“ Barbour von Spring Mountain Vineyard führte in diese Thematik ein. Volker Eisele vom gleichnamigen Napa-Weingut vertiefte die Thematik und zeigte u.a. durch eine historische Perspektive die Besonderheiten des kalifornischen Weinbaus auf. Die zu verkostenden Weine zeigten deutlich, wie unterschiedlich die Stile Napas sind, eine Generalisierung ist unzulässig. Deutlich wurde jedoch, dass Weine, die von einem „Terroir“-Gedanken geprägt sind, die interessantesten sind. Die anderen unterliegen stärker einer „gemachten“ Stilistik – sie repräsentieren stark Stile, die momentan auf den internationalen Märkten gefragt sind.
Da die nächste Veranstaltung ebenfalls in Halle 1 stattfand, ergab sich glücklicherweise etwas Zeit, noch einige Weine Kaliforniens zu verkosten. Auch hier bestätigte sich mein gerade formulierter Eindruck.

Caro Mauer MW und Jean-Michel Valette MW
Foto: P.Jakob
Dann folgte schon die letzte Veranstaltung des Tages, sie endete mit der Durchsage, dass die ProWein für diesen Tag schließt. The Institute of Masters of Wine führte wie schon im letzten Jahr eine Master Class auf der ProWein durch. Warum das ganze unter dem Topic „Flavours“ fungierte, wurde mir nicht ganz klar. Nach einführenden Worten durch den amtierenden Chairman Jean-Michel Valette MW führten er und Caro Maurer MW ein kurzes Tasting mit den anwesenden Interessierten durch. Letztendlich ging es darum im ersten Flight drei Weißweine zu verkosten und begründet Rebsorte und Herkunftsland zu bestimmen. Ich erkannte alle Rebsorten und auch ganz gut die Länder, jedoch stellte der dramatische Eigengeruch der Gläser eine zusätzliche große Hürde da. Im zweiten Durchgang ging es darum, die drei Rotweine, die alle einer zu erkennenden Rebsorte angehörten, erneut den Herkunftsländern zuzuordnen. Pinot Noir war noch einfach. Einen Pinot in Deutschland und einen im Burgund zu verorten ging auch noch. Aber dass der dritte aus Uruguay kam, hätte ich niemals gedacht.
Tag 2

Foto: P.Jakob
Da am Abend noch eine Veranstaltung in den VIP-Logen der Esprit-Arena stattfand, die die Nacht doch deutlich verkürzte, begann der zweite Tag pünktlich verspätet mit der Präsentation des Bordeaux-Jahrgangs 2010 der Union des Grands Crus de Bordeaux, organisiert von der Sopexa. Bei dieser Leistungsschau muss man nicht viele Worte verlieren und bei einem solchen Jahrgang ebenfalls nicht. Sehr gut waren alle Weine, herausragend viele. Vielleicht am deutlichsten blieben mir die Weißweine der Châteaus Pape Clément, Larrivet Haut-Brion, Malartic-Lagravière und Carbonnieux im Gedächtnis. Bei den Rotweinen, die bekanntlich die absolute Überzahl der Weine darstellen, möchte ich nur eine kleine Auswahl nennen, die Liste würde sonst eindeutig zu lang: für mich am eindrücklichsten waren die Châteaus Pape Clément, Smith Haut Laffite, Canon la Gaffelière, Figeac, Troplong Mondot, Léoville Poyferré, Léoville Barton, Pichon-Longueville Comtesse de Lalande, Gruaud Larose, Rauzan-Ségla und Lynch-Bages. Die Sauternes Favoriten waren nach Château Coutet, die Weine von Suduiraut und Guiraud.
Die Schwierigkeit bei dieser Präsentation ist, dass die vorgestellten Weine in einem reiferen und trinkbareren Zustand gezeigt werden, als sie es zu diesem Zeitpunkt normal sind. Kauft man sich eine Flasche dieser Weine am gleichen Tag und öffnet diese, wird der Wein sich selbst nach 12 Stunden im Dekanter nicht so präsentieren. Man darf diese Präsentation nicht als Darstellung des Ist-Zustandes verstehen, sondern als ein Versprechen an die Zukunft.

Axel Biesler
Foto: P.Jakob
Nach mehreren Stunden verließ ich schweren Herzens und mit müden Beinen die Bordeaux-Präsentation, um in Süd-West-Frankreich Erholung zu suchen. Hier gab es die Möglichkeit nicht nur Weine blind zu verkosten, sondern dabei etwas legales Glücksspiel zu betreiben und die Sensorik nach eineinhalb Messetagen zu fordern. Sommelier Axel Biesler lud über alle ProWein Tage hinweg zum Casino Vinophil. Eine grandiose Spielidee! Jeder Spieler bekommt eine feste Anzahl an Jetons und zu jeder Runde ein Glas Wein blind serviert. Zunächst geht es darum, den Wein einem Anbaugebiet zuzuordnen. Danach gilt es eine Schätzfrage zu meistern – zum Beispiel nach der Höhe des Alkohols oder des Restzuckers der Weines, zuletzt gilt es den Jahrgang zu erkennen. Ein wunderbares Spiel: Wein macht nicht nur getrunken Spaß!
Leider vergeht beim Casino Vinophil die Zeit wie im Flug, so dass ich meine nächste Veranstaltung verpasste – zumindest den ersten Teil. Hier traf es sich gut, zur Zeitüberbrückung wie zwischen jeder Veranstalung wieder bekannte Gesichter getroffen zu haben. Und nebenbei habe ich noch bei Thomas Herter vom Château Segonzac einen restsüßen Bordeaux aus Cabernet Sauvignon kennengelernt. Den muss ich mir besorgen.

Markus del Monego MW
Foto: P.Jakob
Dann fing der zweite Teil meines Terminplans an. Master of Wine und Sommlierweltmeister Markus del Monego präsentierte 20 Jahrgänge Bordeaux. Zum Glück hatte ich die jüngsten Jahrgänge verpasst, denn jetzt kamen die reifen Weine. Und gereift ist Bordeaux ein Traum. Die Präsentation bei der L’Ecole du Vin de Bordeaux war hoch interessant – besonders nach den jungen Weinen aus Bordeaux am Vormittag. Markus del Monego präsentierte kurzweilig und informativ über die Weine und die Jahrgangsspezifika. Zu verkosten gab es Château Canon 2002, Château Carbonnieux 2001, Château Cambon la Pelouse 2000, Château de Fieuzal 1999, Château Grand Corbin Despagne 1998, Château Le Bon Pasteur 1997, Château d’Armailhac 1996, Château Haut-Marbuzet 1995, Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande 1994 und Château La Croix du Casse 1993. Der Grund für die 20 Jahrgänge umfassende Verkostung ist der 20. Geburtstag der Prowein im nächsten Jahr – ich freue mich schon auf den 30.
Nach einigen kurzen Abstechern, etlichen Gesprächen und langen Garderobenschlangen war dies das Ende der meiner diesjährigen ProWein. Leider habe ich viele Winzer, Freunde und Bekannte nicht gesehen, auch hätte ich gerne einige neue Weingüter entdeckt. Aber dann hätte ich nicht so viele interessante Veranstaltungen besuchen können – und die Zeit verging wie im Fluge.